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SDI - Siegfrieds Drachen-Initiative

1985 zu Reagan's SDI-Projekt

Der namhafte deutsche Informatiker David L. Parnas wurde damals in das SDI Projektteam berufen, stieg aber kurze Zeit später aus und begründete diesen Schritt öffentlich damit, dass ein solches Projekt sich nicht verifizieren lasse. U.a. bekam er dafür einige Jahre später den FIFF-Preis der Universität Bremen, s. fiff.informatik.uni-bremen.de

Siegfrieds Drachen-Initiative

Satire von Friedrich Pieper

Siegfrieds bevorstehender Kampf mit dem Drachen, seine möglicherweise leider nicht ganz lückenlose Unverwundbarkeit nach dem Bad im Drachenblut, wie auch die wegen einer möglichen Lindenblatt-Lücke drohende Gefahr des Meuchelmords sind seinerzeit durch das höfische Orakel vorhergesagt worden.

Derart rechtzeitig gewarnt, gründete man am Hofe eine Initiativgruppe mit dem Ziel, alle notwendigen und hinreichenden Maßnahmen vorzubereiten und durchzuführen, welche einen lückenlosen Drachenblutpanzer auf Siegfrieds Körper gewährleisten würden. Die Initiativgruppe ging sogleich tatkräftig ans Werk. Sie betitelte ihr Projekt mit

SDI = Siegfrieds Drachen-Initiative.

Offensichtlich musste man zuallererst darauf bedacht sein, die Gefahr zu vermeiden, die durch herabfallende Blätter drohte. Da man die Lebensgewohnheiten des Drachens durch jahrelange Beobachtung genauestens kannte, wusste man, dass sich der Drachen nur im Spätsommer in einem bestimmten entlegenen Waldgebiet zum Kampf stellen würde. Fliegende Blätter würden also unvermeidlich zum Szenarium gehören.

Man beschloss daher, ein Zeltdach einzusetzen. Es kam jedoch aus mehreren naheliegenden Gründen nicht in Frage, den Kampfplatz selbst zu überdachen. Das Dach müsste dann sehr groß und sehr stabil sein, um dem Kampfgetümmel zu widerstehen. Es wäre nicht auszuschließen, dass auch auf dem Waldboden unter dem Zeltdach Blätter aufgewirbelt würden. Man müsste befürchten, dass der Drachen diesen Platz von vornherein meiden würde. Überhaupt konnte man Ort und Zeit des Kampfes nicht genau vorhersagen.

Die SDI-Gruppe zog daraus den richtigen Schluss, ein portables Zelt zu projektieren. Diese geniale Idee ist seither unter dem Begriff Portabilität hoffähig.

Das höfische Beschaffungsamt wurde beauftragt, die nötige Menge besten reiß- und wetterfesten Zeltstoffes zu besorgen. Anschließend sollte die Hofschneiderei ein Zelt nähen, groß genug, um die Badewanne aufzunehmen, welche in Siegfrieds Maßen bei der Hoftöpferei in Auftrag gegeben wurde. Zuvor hatte der Hofarzt errechnet, dass der Drachen mehr als genug Blut liefern würde, um die Badewanne zu füllen. Ferner musste das Beschaffungsamt zum Transport des Blutes vom Kampfplatz zum Zelt die nötige Anzahl Eimer, Vasen und Töpfe bereitstellen.

Zur koordinierten Abwicklung aller dieser Einzelaufträge wurde ein Netzplan aufgestellt, und da man mit den Vorüberlegungen rechtzeitig im Frühjahr angefangen hatte, konnte man befriedigt feststellen, dass man bis zum erwarteten Kampftag termingerecht fertig werden würde. In der SDI-Gruppe prostete man sich bereits auf den bevorstehenden erfolgreichen Projektabschluss zu.

Als gewissenhafter Mensch hatte sich der Hofarzt inzwischen in der Literatur kundig gemacht und war auf ein Zitat gestoßen, nach welchem Drachenblut ein ganz besonderer Saft sei. Er bekam Bedenken, ob das Drachenblut nach Transport und Umfüllen noch seine panzernde Wirkung haben würde. Er empfahl der SDI-Gruppe, weitere Experten zu konsultieren. Nach langen Diskussionen stimmte die SDI-Gruppe zu und erhielt, da diese unvorhergesehenen Konsultationen die kalkulierten Kosten sprengten, ein Nachtragsbudget genehmigt.

Man spürte einen Blutexperten in Transsilvanien auf, welcher glaubhaft machte, dass die kleinste rauhe Stelle in den Transportgefäßen oder der Wanne das Drachenblut augenblicklich gerinnen lassen würde. Tongefäße würde man auf diese Weise von innen panzern, und für Siegfried bliebe kein wirksamer Tropfen übrig. Man müsse absolut glatte Glasgefäße verwenden, wie sie in der benötigten Größe und Qualität nur noch einige Glasbläser in Rom herstellen könnten.

Nach langen Beratungen wurde das Projektbudget um das Dreifache aufgestockt, der geplante Kampftag um ein Jahr verschoben, und man bestellte in Rom eine Glaswanne und einige Dutzend gläserne Transportgefäße. Eine eigene Transportgruppe wurde gebildet, welche die Aufgabe erhielt, die empfindlichen Glasgefäße heil über die Alpen nach Norden zu bringen.

Man erkannte auch, dass man sich nicht darauf einlassen dürfe, das Zelt an einem unpräparierten Platz in Kampfesnähe aufzustellen. Dabei könnte die Glaswanne zu Bruch gehen. Also beschloss man, im besagten Waldgebiet ein Wegenetz zu roden (wie es seither bis auf den heutigen Tag jeder Forstwirt macht) und an den Wegkreuzungen kleine Zeltplätze anzulegen, damit man am Kampftag in der Nähe des Kampfplatzes das Zelt auf ebenem Boden aufstellen könne.

Mehrere Dutzend Rodungsmannschaften wurden schon im Winter losgeschickt, um dieses Wegenetz anzulegen. Sie wurden verpflichtet, die Wege wöchentlich bis zum Kampftag zu pflegen.

Ein neuer Netzplan wurde aufgestellt, und man konnte zuversichtlich sein, den neuen Termin halten zu können.

Einen unangenehmen Zwischenfall gab es im Frühjahr, als der Drachen aus dem Winterschlaf erwacht war und eine 10-köpfige Rodungsmannschaft verspeiste. Jede Rodungsmannschaft erhielt daraufhin bis zum Projektende zwei Dutzend trainierte Kämpfer als militärischen Geleitschutz zugeteilt.

Das Projekbudget hatte inzwischen noch einmal verdoppelt werden müssen, jedoch war der Terminplan nicht in Gefahr.

Der Hofarzt hatte inzwischen mit einem römischen Kollegen korrespondiert, welcher ihm etwas über die Gerinnungstemperatur von Drachenblut herausfinden wollte. Als der Hofarzt mit der Transportgruppe im Frühjahr nach Rom kam, um die fertigen Glaswaren in Augenschein zu nehmen, teilte ihm sein Kollege das Ergebnis der Recherchen mit: Er habe in alten römischen Schriften nachgelesen, dass Drachenblut sofort gerinne, wenn es von der Körpertemperatur des Drachens (welche geringfügig höher sei wie die des Menschen) auch nur um 1 Grad abkühle.

Diese Nachricht wurde mit Eilboten der SDI-Gruppe mitgeteilt. Man beschloss, auch diese Schwierigkeit zu meistern, stockte das Budget noch einmal um das Vierfache auf, verschob den Kampftermin um ein weiteres Jahr und stellte einen neuen Netzplan auf.

In Rom hatte man unterdessen an der Lösung des Problems gearbeitet und die Thermosflasche aus doppelwandigem Glas erfunden. Nach der 10. Versuchsserie waren die Ergebnisse zufriedenstellend und man ging in die Produktion. Termingerecht waren alle Gefäße fertig.

Die Transportgruppe brachte das Gerät heil über die Alpen. Auch der übrige Terminplan war eingehalten. Alle am Projekt Beteiligten waren vom höfischen Geheimdienst einer strengen Personenkontrolle unterzogen worden, und nach Aussonderung einiger zweifelhafter Gestalten war man sich sicher, nur treue Gefolgsleute in der Mannschaft zu haben. Dass Kriemhild und Brunhilde gerade Streit hatten, war zwar bekannt geworden, doch was bedeutete schon Weibergezänk.

Alle Vorbereitungen waren nunmehr erfolgreich und termingerecht abgeschlossen.

Der Kampf fand statt. Zelt und Badewanne wurden in der Nähe aufgestellt. Siegfried tötete den Drachen und eilte zum Zelt. Man fing das Drachenblut auf, eine Kette von Helfern reichte die Gefäße durch bis zum Zelt, man füllte die Wanne, kein Lindenblatt war zu sehen, Siegfried stieg in die Wanne ...

... in der Helferkette war auch Hagen von Tronje gestanden.