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offener Brief an BDV-Präsidentin Erika Steinbach

An
BdV - Bund der Vertriebenen e.V.
Frau Erika Steinbach - Präsidentin -
Godesberger Allee 72-74
53175 Bonn

Offener Brief an Erika Steinbach
von Maria Pieper, geb. 1937 in Vecsés
und Friedrich Pieper, geb. 1941 in Königsberg

Sehr geehrte Frau Steinbach,

in der bizarren Debatte um die Besetzung des Stiftungsrates der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" haben Sie u.a. behauptet, "15 Millionen Vertriebene in Deutschland zu vertreten".
Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir uns in unseren Ansichten, unserer Stellung in unserer neuen Heimat und erst recht in unseren Gefühlen zur alten Heimat keineswegs von Ihnen vertreten sehen. Im Gegenteil verletzt Ihr öffentliches Auftreten unsere Gefühle, und deshalb schreiben wir diesen Brief.
In ihrem 9. Lebensjahr wurde meine Frau mit ihrer Familie ausgewiesen. 1978, nach 32 Jahren, war sie erstmals wieder mit ihren Großeltern und ihrer Mutter auf dem ehemaligen Hof der Familie und erlebte die Verbrüderung ihrer Großeltern mit dem neuen Besitzer, einem 1946 aus der Slowakei ausgewiesenen ungarischen Bauern. Über 40 mal waren wir seitdem dort, die Emotionen und warum unsere Heimat dennoch Ulm ist, haben wir hier beschrieben: "Was ist Heimat?"
Dutzende ähnliche Erlebnisse könnten wir aus der Elterngeneration unserer Verwandten und Freunde berichten. So hat mein Vater in den 60er Jahren noch Polnisch gelernt, war etliche Male in Warschau, Danzig, in seinem Heimatdorf in Ostpommern und hatte viele polnische Freunde.
Und ich kann ehrlicherweise über eigene Heimatgefühle kaum etwas sagen, denn ich war noch keine 4 Jahre alt, als meine Mutter mit meinen Schwestern und mir Königsberg verlassen musste. Mein "Heimatgefühl" wäre ein abstraktes Hirngespinst im Vergleich zu den heimatlichen Emotionen meiner Frau.
Und Sie, Frau Steinbach, waren noch nicht einmal 2 Jahre alt, als Ihre Familie mit Ihnen Westpreußen verlassen musste. Folglich ist das Heimatgefühl, das Sie vor sich tragen, ein abstraktes Konstrukt. Folglich sind Begriffe wie "Versöhnung", gar "Verbrüderung" aus Ihrem Munde ebenfalls abstrakte politische Zweckbegriffe, nicht von Herzen kommend. Wenn Sie heute Polen besuchten, erwarteten Sie dort keine Freunde aus Kindertagen. Verständlich, dass man Ihren Besuch heute in Polen eher wieder als "Besatzung" sähe.
Und so "besetzen" Sie auch die Emotionen der noch lebenden Vertriebenen. Das verletzt.
Sie sind dennoch die gewählte Repräsentantin des BdV. Und Sie beteuern, dass es Ihnen "nicht um persönliche Interessen" gehe. Aus einem professionellen Verständnis Ihres politischen Amtes müsste Ihnen inzwischen eigentlich die Erkenntnis gewachsen sein, dass Sie mit Ihrem Auftreten den von Ihnen selbst vertretenen Zielen schaden.
Oder aber: auch die Ziele, wie Sie sie vertreten, sind nur Worthülsen; es geht auch Ihnen, wie leider manchen Politikern, doch nur um persönliche Macht.

Ulm, 7. Jan. 2010
gez. Maria u. Friedrich Pieper

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